klären

öffnen

stärken

entwickeln

Leicht oder schwer?

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Kollegen, der sich schwertat mit seiner beruflichen Situation. Gerne würde er das Leben leichter nehmen, anderen gelänge dies ohne weiteres, meinte er. Als wir uns zum ersten Mal trafen, ging es um ein Projekt, er fragte mich, was geschehen müsste, dass ich ein Wow-Gefühl entwickeln würde. Trocken gab ich zurück, es würde mir reichen, wenn es uns gelänge, eine Dienstleistung zu entwickeln, die von der Zielgruppe benutzt würde. Wenn sich ein Wow-Gefühl einstellen würde, umso besser, aber dies sei nicht das Ziel.

Später, als wir uns besser kannten, unterhielten wir uns darüber, woher es komme, dass es Menschen gibt, die leichtfüssig und mit viel Spass durchs Leben gingen. Mein Kollege meinte, dies gelänge ihm nicht, obwohl er es sich so sehr wünschte. Er sei immer wieder unzufrieden mit sich und seiner Situation. Irgendwie sei er ein unruhiger Geist. Ich meinte damals, nicht alle hätten dieselben Startbedingungen in ihrem Leben.

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Eine Coachee hatte als alleinerziehende Mutter, die vom Vater der Kinder kaum unterstützt wurde, weder Zeit noch Geld, um sich beruflich in die ersehnte Richtung zu entwickeln. In ihrer Teilzeitstelle konnte sie gerade so viel verdienen, um sich und die Kinder durchzubringen. Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, ist für sie ein anspruchsvoller Balanceakt. Als sie ins Coaching kam, formulierte sie, dass sie Lust hätte, sich weiterzuentwickeln, allerdings fehlten ihr die finanziellen Mittel, um eine längere Ausbildung zu absolvieren. Sie wolle trotzdem herausfinden, was möglich sei.

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Eine Freundin meinte kürzlich, immer wieder ginge es im Leben darum, sich mit einer Situation zu arrangieren, beispielsweise mit dem Alter, und einen Umgang zu finden. Mir kamen Menschen mit Behinderungen in den Sinn, denen dies unglaublich gut gelingt und andere, die ein Leben lang kämpfen oder mit ihren Einschränkungen hadern.

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Kürzlich fuhr ich mit dem Rad zum Bahnhof. Auf einmal wurde mir klar, die materiellen Möglichkeiten sind wichtig. Ich darf sie nicht ausblenden, auch wenn mir immer wieder die Suggestion begegnet, man müsse nur dem inneren Feuer folgen, dann würde das Gewünschte Realität. Doch so leicht ist es nicht. Es macht einen Unterschied, ob ich in ein Umfeld geboren werde, in dem genügend Geld vorhanden ist oder ob ich in einem Umfeld gross werde, in dem jeder Franken umgedreht werden muss, bevor er ausgegeben wird. Je nachdem ist Geld ein Thema oder eben nicht. Und das prägt.
Und es macht einen Unterschied, ob das Umfeld einem von Beginn weg akzeptiert oder ob frau eher auf Ablehnung stösst. Es macht einen Unterschied, ob jemand gefördert wird oder nicht. Diese Unterschiede sind real.

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Gleichzeitig ist bekannt, dass Menschen an widrigen Lebensumständen wachsen können. Doch die Erwartung zu haben, dass widrige Umstände ohne weiteres überwunden werden können, ist nicht immer realistisch. Ich glaube, es kann helfen, sich seiner Voraussetzungen bewusst zu werden, zu akzeptieren, dass der eigene Weg etwas schwieriger ist. Sich mit der Erwartung unter Druck zu setzen, das Leben sollte einem jederzeit leichtfallen, erachte ich dagegen als hinderlich.